NABU klagt gegen E233-Ausbau

Gestern abend war im Kossehof Meppen eine Podiumsdiskussion-Veranstaltung der Emsländer Grünen zum jetzt vorliegenden Planfeststellungsbeschluss zum ersten Planungsabschnitt der E233 (Niederländische Grenze A31 bis Meppen, ca. 10 km).

Der NABU wird gegen die E233-Ausbaupläne Klage einreichen und hat einen Eilantrag auf Wiedereinsetzung der „aufschiebenden Wirkung“ gestellt, damit nicht (theoretisch) schon Bagger anrollen und weitere wichtige Natur zerstören können, bevor die Klage auch nur angesehen wird.

Beklagt werden kann der E233-Ausbau nur vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das gleichzeitig Erst- und Letztinstanz ist. Das haben wir den konservativen Parteien FDP und CDU/CSU zu verdanken, die meinten, man müsse Straßen schneller bauen können und der Klageweg betroffener Bürgerinnen und Bürger oder von Umweltschutzorganisationen müsse so kurz wie möglich sein. Auch das Abschaffen der „aufschiebenden Wirkung“ einer Klage haben wir ihnen zu verdanken.

Die Podiumsdiskussion hat sehr viel Sachverstand und Expertise auf Seiten der Ausbaugegner:innen gezeigt. Dr. Karsten Osmers hat, obwohl Vorstandsmitglied in der Bürgerinitiative Exit233, seine Aufgabe als neutraler Moderator hervorragend gemeistert. Die Redeanteile der Podiumsdiskussion waren in den Eingangsstatements und der Diskussionsrunde ausgewogen und im dritten Teil ließ er viele Zuhörerinnen und Zuhörer zu Wort kommen.

Dr. Hannah Timmer vom „Straßenbauamt Lingen“, wie die NLStBV bei vielen noch immer heißt, hat sich korrekterweise nicht aufs Glatteis führen lassen, politische Aussagen zu machen, konnte aber nicht alle Fachfragen, die an sie gerichtet wurden, beantworten. Sie gab das unumwunden zu, was charmant wirkte. Sie schilderte sachlich korrekt, wie es nach dem Planfeststellungsbeschluss weitergeht und dass prinzipiell der erste Planungsabschnitt sofort gebaut werden könnte, wenn der Bund die Finanzierung signalisiert. Frau Timmer behauptete, der Transit-Lkw-Anteil auf der E233 von der niederländischen Grenze bis nach Ahlhorn betrage nur zwischen 18 und 40 Prozent, konnte dies aber nicht belegen. (Aus früheren Diskussionen mit dem Städtering Zwolle-Emsland wissen wir, dass die dortige Auslegung, was Transit-Verkehr für die E233 sei, sehr fragwürdig ist. Die 2006 eingeführte gesetzliche Möglichkeit, Durchfahrverbote für Transitverkehre einzurichten, sieht vor, dass ein Fahrzeug, das weiter als 75 km von einem Punkt oder einer Strecke entfernt losfährt und ankommt, Transitverkehr ist, während alle anderen Verkehre berechtigte Quell-, Ziel- oder Nahverkehre sind.

Susanne Menge (MdB), die live aus Berlin zugeschaltet war, überzeugte mit großem Detailwissen und nannte für den E233-Ausbau, wenn er denn jetzt stattfinden würde, aktuelle Gesamtkosten von ca. 1,6 Milliarden Euro. Die Autobahn GmbH habe zudem überhaupt kein Geld für Neu- und Ausbauten. Es gehe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten darum, Brücken und Straßen im Bestand zu sanieren und zu erhalten. Frau Menge wies darauf hin, dass die Bewertungsmethodik, mit der sämtliche Projekte im Bundesverkehrswegeplan auf ihr Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) hin untersucht werden, seit Jahrzehnten in der Kritik stehe. Sie solle in diesem Sommer überarbeitet werden, um auch den neuen Ansprüchen aus der Klimakrise gerecht zu werden. Viele Projekte würden dann automatisch rausfallen, so auch die E233, ist sich Frau Menge sicher.

Holger Buschmann, NABU-Landesvorsitzender, stellte die Nachteile und abzusehenden Schäden des Ausbaus sachlich und gut verständlich dar und ist überzeugt, dass der Ausbau noch zu stoppen ist. Auch er sieht schon aufgrund der finanziellen Situation, aber auch wegen der immensen Klimaschädlichkeit gute Chancen, dass das Projekt wieder aus dem Bundesfernstraßenausbaugesetz gestrichen wird, wenn dieses mit dann neuen Prüfkriterien neu aufgestellt wird.

Gerhard Roelfes als Geschäftsführer des Städterings Zwolle-Emsland war einziger Pro-Ausbau-Vertreter, der sich auf das Podium gewagt hatte. Dafür waren die Veranstalter schon im Vorfeld kritisiert worden, die sich jedoch darum bemüht hatten, auch andere Stimmen pro E233-Ausbau für eine noch ausgewogenere Podiumsdiskussion zu gewinnen. Die meisten Ausbaubefürworter stehen allerdings wohl auf dem Standpunkt, dass es jetzt müßig sei, über den Ausbau überhaupt noch zu diskutieren, da er ja gesetzlich „in trockenen Tüchern“ sei. Leider konnte Herr Roelfes, wie schon so oft vorher in solchen Veranstaltungen, mit dem Schüren von Ängsten und der Hoffnung auf eine verbesserte Situation irgendwann in der Zukunft nach einem möglichen Ausbau beim Publikum im gut gefüllten Kossehof nicht verfangen und kassierte mehrfach Lacher, aber auch kritische Nachfragen aufgrund seiner zumindest amüsanten Behauptungen.

So behauptete er wiederholt, „jeder, der die Strecke fährt, weiß doch, was hier los ist“. Daher sei der Ausbau zwingend notwendig. Das entspricht dem veralteten Verkehrspolitik-Ansatz „the next line will fix it“: Noch ein Fahrstreifen mehr, und alle Probleme sind gelöst. Das Publikum hinterfragte mehrfach, warum hier überhaupt so viele Transit-Lkw fahren würden und warum man nicht schon 2006, als es gesetzlich möglich war, mit einem Durchfahrverbot das Ausweichverhalten der Transit-Lkw unterbunden hätte, so auch ich. Roelfes‘ Antwort darauf war, wir dürften nicht immer nach hinten schauen, sondern müssten nach vorn schauen. (Dieses Scheinargument wird gern genutzt, wenn eine Diskussion kurz davor ist, Ross und Reiter für verursachte Probleme zu erkennen und zu benennen.)

Mehr Nutzen oder mehr Kosten?

Das E233-Ausbauprojekt sollte ursprünglich 218,3 Millionen € kosten und hatte damals ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von nur 0,2 (das bedeutet, die Kosten sind fünfmal so hoch wie der Nutzen). Damit das Projekt 2003 überhaupt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden konnte, wurde dieses NKV damals ohne eine erneute Überprüfung auf 1,0 „radiert“. Mittlerweile wurde das offizielle NKV mehrfach neuberechnet und soll nun bei auch nicht berauschenden 2,1 liegen. Die Kosten sind jedoch derart aus dem Ruder gelaufen, dass selbst das „offizielle“ NKV mittlerweile eigentlich längst unter 1,0 liegt.

Der Verein Verkehrswende Cloppenburg-Emsland e.V. lässt schon seit Jahren eine E233-Kostenuhr laufen, die eindrücklich zeigt, wie der tatsächliche Stand des NKV beim E233-Projekt ist.

Ausbau oder Neubau?

Das Projekt behauptet zwar, es handele sich nur um einen Ausbau von 2 auf 4 Fahrstreifen, doch wird in weiten Teilen die alte Trasse bleiben und daneben werden vier neue Fahrstreifen gebaut, so dass man eigentlich von einem Neubau und einer Erweiterung von 2 auf 6 Fahrstreifen sprechen muss, im Querschnitt einer Autobahn. Viele Querungsmöglichkeiten und Anschlüsse, die jetzt vorhanden sind, würden wegfallen und nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch allen Unternehmen und anderen Anliegern sehr weite Umwege abverlangen. Die Folgekosten der dann zurückgestuften alten Bundesstraßenteile für die beiden Landkreise Cloppenburg und Emsland sind noch nicht mal beziffert.

Planungskosten explodieren

Wirtschaftsförderung und Klimaschutz müssen seit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen Hand in Hand gehen. Die Politik wird endlich einsehen müssen, dass derart aus der Zeit gefallene Projekte wie die E233 weder die Wirtschaft noch den Klimaschutz fördern, sondern im Gegenteil großen Schaden anrichten. Da aber seinerzeit sowohl der Bund als auch das Land Niedersachsen keine Kapazitäten für die E233-Planungen hatten, hatten die Landkreise Emsland und Cloppenburg diese Planungen selbst übernommen und finanzieren die Planungen bis heute weitestgehend allein vor. Waren die Planungskosten ursprünglich angeblich auf 6 Millionen € gedeckelt, haben sie samt den jetzt schon getätigten Grundstückskäufen längst 50 Millionen € überschritten. Die ausgelegten Planungsgelder bekommen die Landkreise aufgrund einer Vereinbarung mit dem Land Niedersachsen dann zurück, wenn der Ausbau binnen 10 Jahren nach erstem Spatenstich fertiggestellt wird und die Planungskosten nicht mehr als 5 Prozent der endgültigen Bausumme ausmachen. Nach dem Planfeststellungsbeschluss fängt die Planung prinzipiell nochmal von vorn an, weil dann erst die tatsächliche Realisierungsplanung vorgenommen wird. Die Planungskosten werden also weiter steigen und steigen und es bleibt fraglich, ob die Landkreise Cloppenburg und Emsland dieses Geld jemals wiedersehen werden. Es würde schon jetzt dringend gebraucht – zum Beispiel für zeitgemäße Wirtschaftsförderung und Klimaschutz.

Anfragen an das Bundeswirtschaftsministerium, das Projekt jetzt noch zu stoppen, werden bisher abgelehnt mit der Begründung, das Projekt stehe nun mal im Bundesfernstraßenausbaugesetz und werde daher auch realisiert. Dass man Gesetze auch wieder ändern kann, dass der Staat kein Geld für weitere Aus- und Neubauten im Straßensektor hat, dass Deutschland internationale Verpflichtungen zum Klimaschutz hat – all das blendet Verkehrsminister Wissing (FDP) aus.

Jetzt die Klage mit einer Spende unterstützen

Der NABU-Eilantrag und die NABU-Klage gegen den E233-Ausbau und -Neubau können ab heute mit Spenden finanziell unterstützt werden. Dazu hat der Naturschutzbund Deutschland NABU bei der Sparkasse Emsland ein Spendenkonto mit der IBAN DE25 2665 0001 1091 1178 28 eingerichtet.

Spenden können steuerlich geltend gemacht werden. Für Beträge ab 300 € stellt der NABU eine Spendenbescheinigung aus, wenn die Postadresse des Spenders im Verwendungszweck der Überweisung angegeben wird. Für kleinere Beträge reicht dem Finanzamt der Nachweis durch den Kontoauszug.

Bei Fragen ist das NABU-Regionalbüro unter 05931-4099 630 telefonisch erreichbar. Weitere Informationen über die aktuellen Entwicklungen zur E 233 werden immer wieder auf den Internetseiten www.nabu-emsland.de und www.nabu-emsland-mitte.de und auf den Internetseiten www.exit233.de und www.vce-verein.de zu finden sein.

Spenden für eine bessere Zukunft für uns alle

Ich halte die Klage gegen den E233-Ausbau für richtig und habe daher soeben 1.000 € gespendet. Ich würde mich freuen, wenn viele weitere Spenden gemacht werden. Spenden nicht nur GEGEN den wirtschafts- und klimaschädlichen E233-Ausbau und -Neubau, sondern vor allem …

  • FÜR eine bessere Zukunft unserer Kinder und Enkel – ohne zubetonierte Flächen und unnötige induzierte Verkehre,
  • FÜR den Erhalt unserer schönen Kulturlandschaft und der wertvollen Ackerflächen,
  • FÜR den Erhalt der gewachsenen dörflichen Strukturen und Wälder,
  • FÜR den Erhalt der Wertes Ihrer Gundstücke und Immobilien,
  • FÜR die Verlagerung von Gütern zurück auf die Schiene,
  • FÜR eine Verbesserung und Ausweitung des ÖPNV,
  • FÜR die Förderung der Wirtschaft durch intelligente digitale Konzepte,
  • FÜR den Ausbau von Internet-Autobahnen,
  • FÜR verschärfte Sicherheitskontrollen und intensive Geschwindigkeitskontrollen für Lkw auf der E233,
  • FÜR einen weiteren dreistreifigen Ausbau der E233, wenn überhaupt sinnvoll.

Komikernation Deutschland

Die Beschneidungsdebatte 2012 in Deutschland und die weltweiten Folgen

Das sogenannte Beschneidungsgesetz wurde am 12. Dezember 2012 vom Deutschen Bundestag beschlossen. Seitdem sind Jungen in Deutschland rechtlos gestellt, was ihre Genitalautonomie angeht.

Ulf Dunkel stellt die seit Juli 2012 vorangegangene kurze, aber in Teilen sehr heftig geführte Beschneidungsdebatte vor und analysiert die Standpunkte der damaligen Beteiligten. Dabei wurde die Hauptgruppe der Beteiligten überhaupt nicht gehört – die Betroffenen: Männer, die als Kinder aus religiösen, traditionellen, hygienischen oder pseudomedizinischen Gründen vorhautamputiert wurden. Viele leiden bis heute durch den Verlust des empfindsamen, funktionalen und schützenden Vorhautgewebes und damit auch durch den Verlust an erotischer Empfindsamkeit.

Eine Bewertung der Sitzungen des Deutschen Bundestags und des Deutschen Ethikrats stellt fest, mit wieviel Halbwissen und unwahren Behauptungen vor allem Religionsvertreter hier für ihre eigenen und gegen die Interessen der hilflosen Knaben argumentiert haben. Über allem in der damaligen Beschneidungsdebatte schwebte jedoch der ständige Vorwurf, antisemitisch und islamophob zu sein, wenn man sich für die Menschenrechte von Kindern einsetzt.

Dunkel kommt zu einem klaren Ergebnis der Beschneidungsdebatte, die seit 2012 weltweit nicht verstummt ist, obwohl sich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel dies gewünscht hatte.

Zusammenfassung

Die Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen, auch für Kinder. Wer denkt, Kinder seien Besitz und Verfügungsmasse ihrer Eltern, sollte dieses Buch dringend lesen. Wer Argumente gegen die rituelle Beschneidung von Kindern sucht, findet sie in diesem Buch. Wer gegen Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen ist, erfährt hier, warum die Genitalverstümmelung von Jungen ebenso bekämpft werden muss.


236 Seiten, Softcover 18,90 € – Hardcover 22,90 € – eBook 2,99 €

https://shop.tredition.com/booktitle/Komikernation_Deutschland/W-464-174-283

10 Jahre Komikernation Deutschland

Seit zehn Jahren sind Jungen in Deutschland rechtlos gestellt

Schon seit zehn Jahren stellt Deutschland jüdische Jungen, muslimische Jungen, Jungen, die an Ärzte mit veraltetem Wissen über kindliche Phimose geraten, sowie Jungen, deren Eltern aus irgendeinem Grund etwas gegen natürliche männliche Genitalien haben, schutzlos. Deutschland schützt keine jüdischen Jungen, keine muslimischen Jungen, keine Jungen überhaupt.

Warum? Weil sie Jungen sind und in dieser Gesellschaft nicht so viel wert sind wie Mädchen, intersexuelle Kinder und Frauen. Weil sie auf dem Altar der Angst vor dem Vorwurf des Antisemitismus geopfert wurden. Schäm‘ Dich, Deutschland.

Heute vor zehn Jahren, am 12.12.2012, hat der Deutsche Bundestag das sogenannte „Beschneidungsgesetz“ verabschiedet. Ein Gesetz, das minderjährige Jungen in Deutschland rechtlos stellt, was ihre Würde, ihre körperliche Unversehrtheit, ihre Sexualität und die Intaktheit ihrer Genitalien angeht.

Es gibt kein Elternrecht, Kindern gesunde Körperteile ohne medizinischen Grund abzuschneiden (außer bei Jungen in Deutschland)

Seit zehn Jahren können Eltern nach Lust und Laune die gesunden Genitalien ihrer männlichen minderjährigen Kinder verstümmeln lassen – ohne jegliche medizinische Indikation – solange der Arzt nur die Absicht hat, diese Genitalverstümmelung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu machen. (Wohlgemerkt, er muss es nicht lege artis tun – er muss es nur lege artis tun wollen.)

Seit zehn Jahren können religiöse Eltern dies sogar von Nichtärzten machen lassen, solange die männlichen Kinder nicht älter als sechs Monate sind. Ein Sonderrecht für bestimmte Religionsgemeinschaften. Kinder haben keine Religion und werden durch ihre Eltern entrechtet, die mit den Sprechern ihrer Religionsgemeinschaften lauthals dieses Sonderrecht einforderten.

Es gibt kein Religionsrecht, Kindern Körperteile abzuschneiden (außer bei Jungen in Deutschland)

Seit zehn Jahren sind Jungen Mädchen nicht mehr gleichgestellt. Sie haben kein Recht mehr auf ihre Würde, auf körperliche Unversehrtheit, auf gewaltlose Erziehung und auf ihre eigene Weltanschauungsfindung. Wenn die Eltern ihnen aus religiösen Gründen die verharmlosend so genannte „Vorhautbeschneidung“ verpassen, setzen sie ihren Kindern ein religiöses Brandzeichen, ein Stigma, das unauslöschlich bleibt. Kinder haben keine Religion und werden so für ihr ganzes Leben gebrandmarkt.

Seit zehn Jahren schäme ich mich, dass in Deutschland Menschen ungleich behandelt werden, wenn sie männlich und minderjährig sind, wenn sie Kinder religiöser Eltern sind, deren Empathie nicht reicht, um zu verstehen, was sie ihren Jungen damit antun, wenn sie Kinder uninformierter Eltern sind, die Ärzten mit veraltetem Wissen glauben, die festgestellte Phimose (Vorhautverklebung) ihres Kleinkindes sei behandlungsbedürftig. Längst ist bekannt, dass quasi jeder Junge mit einer natürlichen Phimose geboren wird, die sich in aller Regel bis zur Pubertät löst, aber auch noch länger bestehen kann. Normalerweise bedarf sie keiner Behandlung, schon gar nicht der Amputation der Vorhaut. Das ist veraltet und längst nicht mehr lege artis.

Seit zehn Jahren ist das sog. Beschneidungsgesetz, § 1631d BGB, ein unsäglicher Fremdkörper im deutschen Rechtswesen und ein Freifahrtschein für Eltern, Ärzte mit veraltetem Wissen und Beschneider, gesunde Genitalien männlicher Kinder zu beschädigen – ohne dass die Kinder ein Mitspracherecht, eine Einspruchmöglichkeit oder sonst eine Chance hätten, sich zu wehren. Die Fürsprecher der Kinder in aller Welt sind alle Intaktivisten weltweit, die sich für die Rechte aller Kinder gleich welchen Geschlechts auf körperliche Unversehrtheit und genitale Selbstbestimmung einsetzen. Viele aufgeschlossene und informierte Ärzte-Organisationen in ganz Europa haben mittlerweile klar Partei für die Kinder ergriffen und stehen an der Seite der Intaktivisten-Bewegung. Täglich werden es mehr, die erkennen, dass das Beschneidungsgesetz ein fataler Fehler ist.

But there is hope

Seit zehn Jahren werden wir täglich mehr. Der Kampf gegen das unsägliche Beschneidungsgesetz in Deutschland und gegen die sinnlose, schädigende Genitalverstümmelung von Kindergenitalien in aller Welt hört nicht auf. Keine medizinische Gesellschaft weltweit empfiehlt eine medizinisch nicht indizierte Vorhautamputation bei Kindern. Die juristische Literatur gegen das „Beschneidungsgesetz“ verdichtet sich immer mehr. Der Intaktivismus ist eine weltweite Bewegung geworden und klärt immer mehr Eltern und Ärzte auf. Ich bin stolz, dieser Bewegung anzugehören und mich für gleiche Rechte aller Kinder einsetzen zu können.

Und das ist gut so.

Weg mit dem verfassungswidrigen Beschneidungsgesetz § 1631d BGB, dem Sündenfall des Rechtsstaats.

10 years of circumcision debate in Germany

In August 2022, I participated at the INTACT 2022, an intactivism conference that took place at the Georgia Tech Conference Center in Atlanta, USA. Because of my 60th birthday at the same time, I couldn’t be there myself. So I asked Peter W. Adler to read my talk to the audience which he did exellently.

Here is the video of my contribution presented by Peter. The original text follows below.

Introduction

I am Ulf Dunkel, a German intactivist since 2012. I am the editor of the IntactiWiki and have translated various intactivism books into German since then, books by Lindsay R. Watson, Ronald Goldman, and Rosemary Romberg. Because I turned 60 yesterday and had to celebrate my birthday with my family, I am sorry that I cannot speak to you myself. Therefore, I thank Peter Adler for reading my talk at this conference.

What happened in Germany in 2012?

In mid-2012, I saw an outrageous accusation on social media: the whole of Germany would be anti-Semitic if a certain “Cologne verdict” were to hold. I immediately became alert. I grew up pacifist, aware of the atrocities which Nazi Germany committed against the Jews. I was a conscientious objector, had done civilian service and now I had many questions. What is the Cologne verdict? Why should all Germans be anti-Semitic? Who claims that? What is this all about?

It was about circumcision. In Germany, the common term is “Beschneidung”, which simply means “cutting”. A term I knew from school, where it was mentioned once in connection with Jewish and Muslim rituals. I knew it from my civilian service in a hospital, where I witnessed two phimosis operations of boys, during which the medical word circumcision was also mentioned. And I knew it from a botanical book that described how rose bushes are cut and pruned to make them bloom more magnificently.

But this was about the “circumcision” of a little boy, who then almost bled to death, why the treatment became a public problem in the first place.

What happened in Cologne?

A four-year-old boy of Muslim parents in Germany had been circumcised “for religious reasons”. They had hired a doctor in Cologne, who was also Muslim. He performed the operation in his practice lege artis,which means “according to the medical state of the art”. Nevertheless, there was very heavy bleeding. Two days later, his mother took the boy to the University Hospital in Cologne, where the bleeding was stopped. General anesthesia and a hospital stay of a total of ten days were required for these follow-up treatments.

A nurse from the University Hospital then reported the doctor so that the public prosecutor’s office became aware of the matter and filed a criminal complaint against the circumciser.

The matter went before the Township Court of Cologne, which acquitted the doctor. It assumed that the parents‘ consent to the religiously motivated operation was legally effective because it was in the best interests of the child.

Prosecutors appealed the verdict and still wanted the doctor convicted of assault. The case went before the District Court of Cologne, which passed a sensational judgment on May 7, 2012. Accordingly, this operation, which is not medically indicated and was purely motivated by the parents‘ religious reasons, is clearly bodily harm. The fact that circumcisions have been tolerated for a long time cannot be excused as “social adequacy”. The religious motivation of the parents would “also have no justifying effect” since the “parents‘ right to a religious upbringing of their children” does not take precedence over the “child’s right to physical integrity and self-determination”.

The district court of Cologne contradicted the judgment of the township court, but had to state correctly that the doctor could not be convicted because he acted “in an unavoidable error of law” and therefore could not be guilty.

Thus, the case could have been filed and the public would not have become aware of it. But the district court had also stated just as clearly that according to this judgment in future interventions in children’s right to physical integrity and self-determination no doctor or circumciser could no longer invoke error of law and would become a criminal offence. The “Cologne circumcision verdict” was effectively tantamount to an immediate ban on all non-medically indicated foreskin amputations, especially since it excluded further appeals.

The Cologne verdict was communicated in the media at the end of June 2012 and immediately harshly condemned. But not from the Muslim side, as one might have assumed, but above all from the Jewish side.

Serious allegations by Jewish speakers

At the beginning of July 2012, a conference of European rabbis took place, at which its chairman, Rabbi Goldberg, claimed that the Cologne verdict was the “severe attack on Jewish life since the Holocaust”. He also claimed: “Circumcision is the basis for conversion to the Jewish people” and called for disregard of the Cologne verdict. At the time he threateningly predicted: “If the law is passed, there will be no future for the Jewish communities in Germany.”

In doing so, he put pressure on all Germans who had learned from Germany’s inglorious, murderous history that injustice against Jews because they are Jews should never be repeated on German soil. His statements, and those of many others who took the same line, made it clear: A Germany that puts the well-being of young children above the well-being of the Jews, which had suffered so much from an earlier Germany, is against Jews because they are Jewish and perform Jewish rituals. Such a Germany is anti-Semitic.

The President of the Central Council of Jews in Germany followed suit and threatened to emigrate all Jews from Germany. He called on the Chancellor, the parliamentary groups and the prime ministers of all federal states to pass a law “immediately after the summer break” that would continue to allow ritual circumcision. In doing so, he accused everyone who stood up for children’s rights to want to create a situation in which Jews could no longer live in Germany, and thus also anti-Semitism between the lines.

Comedy nation Germany

In July 2012 all six parties of the Bundestag looked for positions and information to support these positions. They all simply believed that the “claimed Jewish rules” were true. Chancellor Angela Merkel’s personal point of view was quoted as:

“She doesn’t want Germany to be the only country in the world where Jews can’t practice their rites. ‘Otherwise we’ll make ourselves into a comedy nation,’ she said.”

So she set the political direction: In post-Nazi Germany, Jewish rites are more important than the basic rights of children.

Later in the debate there were repeated attempts to defuse this basic direction. It was pointed out that circumcisions are not only carried out for religious reasons. But let’s not delude ourselves: the political debate in Germany has always been about the right of Jewish parents to have their sons circumcised for religious reasons. Everything else was accessories and decoration. Even the law has failed to completely conceal this fact. Because it contains a special right for Jewish circumcisers to be able to carry out this operation up to the age of six months of the victim. Elsewhere, only doctors are allowed to do surgery in Germany.

I myself was 100% convinced that the Cologne verdict was absolutely correct. I contacted all Bundestag politicians in order to convince them that this post-war Germany in particular would do well to stand up for human rights for all people, including all children, and in doing so to show that it had learned from its evil history.

If this country were to show now that it can stand at the forefront of the new era and stand up for the universal human rights adopted by all the world, it should gain all the respect in the world for this purification and development. But if Germany were to disregard the human rights of children of Jewish and Muslim parents because they are Jews and Muslims, wouldn’t that itself be anti-Semitism and Islamophobia? Treating Jewish people worse than others because of their religion is nothing more than the very anti-Semitism that Rabbi Goldschmidt saw in treating Jewish people the same as everyone else.

Misinformation, lies and attacks

The German Constitution says: “The undisturbed practice of religion is guaranteed.” But that does of course not allow religious people to harm other people.

In my personal and written discussions with members of the Bundestag and religious speakers, I was increasingly confronted with claims that had long since been refuted, as I learned then by doing my own research. It frightened me that these people were either completely uninformed or shamelessly spreading untruths. You all know these false claims and myths. But one argument shocked me the most: Children of Jews and Muslims are “not other people” per se, so that the basic rights do not apply to them at all. This attitude showed me that some of these groups live in a completely different era, not in 2012 or later in a democratic constitutional state in which the UN Human Rights Charter and the Children’s Rights Convention apply. Children are not owned by their parents and are not legal objects to be dealt with as one pleases. Children are legal subjects and enjoy the same basic rights as adults. That’s the theory.

Again and again and more frequently in all the discussions – albeit primarily under the protection of anonymity in the social media – the anti-Semitism club was swung and used to beat everyone who campaigned for the rights of children. There was talk of the fact that we Germans have had nothing to say to the Jews since 1945, that Muslims in Germany have their own rules, that anyone who thinks that ritual circumcision is genital mutilation is only expressing their anti-Semitic world view.

Of course, most of you are familiar with these bad debates. We all experience them every day. The debate hasn’t died down in Germany either, even after we became a comic nation in December 2012 as a result of the unconstitutional circumcision law. We’re kidding our male kids, we’re fools who claim to be a child-friendly society. Well, boys just had bad luck here in Germany until now.

Europe’s attempts

You are also familiar with the further development of the circumcision debate in Europe. After Germany, there have been moves in several Nordic countries to pass laws to protect children’s rights. Iceland, Norway, Sweden, and Denmark have tried. In all these countries the same thing happened as in Germany. All people who worked to protect children were suddenly anti-Semites and haters of Islam. (This is of course complete nonsense.) Lena Nyhus from Intact Denmark went into this in more detail yesterday.

Unique opportunity missed

What annoys me the most and why I’m still an intactivist: Germany had the unique opportunity to take on a pioneering role in human rights for all people. The protection of defenseless children against an unfounded religious demand of adults must not be given up for fear of being accused of anti-Semitism. This massive accusation simply does not apply here. It’s about protecting boys from genital mutilation. All boys. To deny this protection to sons of Jewish parents because they are Jews would be anti-Semitism. To deny this protection to sons of Muslim parents because they are Muslims would be discrimination, too.

If Germany had decided in favor of children’s rights back then, we all would certainly be further ahead today – ten years later. Then the Nordic countries in Europe would surely have followed Germany and also legally protected their male children from genital mutilation, one by one.

And of course that wouldn’t have been the end of Judaism in Germany or Europe. On the contrary. I contend that Judaism, with its rich culture, its many facets and its creativity, would have grown from it. And many young Jewish parents would no longer be subject to the immeasurable pressures of their communities and would be able to welcome their sons into the world and their community with peaceful, bloodless rituals.

Many Muslim communities in Europe are harder to reach. Some of them live very isolated in parallel societies. And of course Muslims are not a homogeneous society, just like Jews or other groups. Indeed, children of most Muslim parents need a law that explicitly forbids their parents from circumcising children’s genitals. Circumcision tourism could also be prevented.

The main reason for statistically the most circumcisions in Germany is certainly still the misdiagnosis of phimosis. But there is hope. In 2021, the German Society for Pediatric Surgery published a new “Phimosis and Paraphimosis Guideline”. It states clearly that phimosis is basically natural in boys at first and that the time it takes for it to resolve completely, varies widely and can extend into adulthood. In the case of phimosis that is actually pathological, the guideline advises conservative, maintenance measures such as ointment therapy and cutting only as a last resort, preferring incision over circumcision.

Future prospect

Every important topic in politics has its hour. At the first attempt, Germany failed to stand up for the fundamental rights of male children although the major medical societies, the German public, and many intactivists argued against the Circumcision Law. The backbone of Germany is apparently not strong enough due to its inglorious history, which has actually been exploited by some religious advocates.

But the time will come when the first country will finally speak out clearly for equal rights for all children. Then we will experience a domino effect. Country after country will protect children’s rights, put religions back in their place, and reduce medical misdiagnosis through education and policies. I would have been proud if Germany had been the first country to prioritize child protection. And not despite, but because of its history. It’s on us to protect future children.

In his book “Circumcision Is A Fraud”, Peter Adler put it simply and correctly: The circumcision debate must stop. But not, as Chancellor Merkel said in 2012, to restore legal certainty for religions, but because there should be no debate about human rights violations at all.

For the good of all people. Children are people. Children are our future. They and we all benefit from intact bodies and souls, as individuals, as families, as communities and as nations.

Thank you for listening.

Intactivism is not about Jews, but about children’s rights

IntactiWiki

On behalf of IntactiWiki, I recently signed the Standing Against Antisemitism statement opposing antisemitism within the genital autonomy movement at Beyond the Bris.

Some fellow intactivists contacted me and asked why I had signed this statement. They argued that many of the „so-called antisemitic statements“ listed in that statement would be basically true and the genital autonomy movement shouldn’t try to mute voices who would speak out these „truths.“ I was irritated to see some intactivists being trapped in a tunnel of bad arguments that doesn’t lead to success. I wonder what these intactivists really want to achieve.

After all, we intactivists are talking about human rights for ALL CHILDREN, the children of Jewish and Muslim parents included. (If we excluded them by treating them specially because of being Jewish, for minimizing the chance of being accused for antisemitism, THAT would be antisemitic, indeed.)

So if we want to change systems globally in order to protect ALL CHILDREN from genital harm, we should always remember that we need to frame our arguments in a way that doesn’t alienate the very people we want to convince that they’re doing wrong.

Who is the opposite site?

  1. Physicians who continue to use pseudo-medical reasons for circumcision on boys.
  2. Politicians who refuse to protect boys from genital mutilation while they have already implemented female protection in the laws.
  3. Parents who continue to force genital mutilation on their children for any non-medical reasons.

So we’re addressing the PPP. And none of them will listen if we insult them in any way.

P1 – Physicians

As I see it, it will be the best step to convince P1 (physicians) firstly because there’s so much bulletproof evidence now that there is no pathological phimosis as a legal medical indication in newborns and children, even up to adulthood. So physicians have to check every single case and use less destructive treatments in the first place. I am so happy that Germany finally has released Phimosis Guidelines for the medical profession in 2021 which are now „state of the art“ and therefore are binding for doctors. This also is a first way to invalidate the German Circumcision Law because it at least requires doctors to treat „lege artis.“

P2 – Politicians

Then we should convince P2, the politicians, that boys deserve the same legal protection that girls already enjoy. This double standard has to be ended.

P3 – Parents

After that, P3, the parents, will no longer be able and find doctors who practice the genital mutilation of their children. Of course, a criminal law does not protect in itself. There will always be people who break the law – and will have to be punished accordingly. That much is also true for all other forbidden criminal offenses in all countries.

Jewish politicians, clergymen, and parents play A ROLE in the whole circumcision drama, of course, but NOT THE ROLE. There are countries with high circumcision rates where no Jewish person has ever had any influence. Of course many orthodox Jews raise their voices, fearing that otherwise they will have to face the fact that they themselves were victims and may have perpetuated this ritual. (This is what I call „Collective Cognitive Dissonance.“) There are undoubtedly Jews, Muslims, and, in general, parents from genital mutilating communities who want to resist their community’s pressure to circumcise their children who would welcome having a legal basis for opting out of genital mutilation of their children.

But no matter what religion or non-religious worldview someone has – you won’t make them listen to your arguments if you blame them for being a victim or a perpetrator. So focusing on conspiracy theories or myths when arguing about genital mutilation DOESN’T HELP AT ALL.

It’s all about children worldwide, not about Jews. This is why I signed the Statement.

Background Information

Gastartikel: Mein Kommentar an den Deutschen Ethikrat wegen seiner Empfehlung an die Bundesregierung

Den nachfolgenden Text habe ich am 27. August 2012 für MOGiS e.V. geschrieben, auf deren Website er bis vor einiger Zeit noch abrufbar war. Dass er momentan dort nicht mehr abrufbar ist, fiel mir erst auf, als ich im Zuge meiner Arbeit an meinem Buch „Komikernation Deutschland – 10 Jahre Beschneidungsdebatte“ nach dem Text suchte.

Ein Gastbeitrag von Ulf Dunkel

Ich habe die öffentliche Sitzung des Ethikrats zum Thema Beschneidung samt Diskussion, Pressegespräch und Presseerklärung des Ethikrats aufmerksam angehört und gelesen.

Vordergründig hat es den Anschein, als würden hier wirklich seriöse Erwachsene mit hoher Bildung miteinander „fachsimpeln“, um zu einem guten Konsens zu kommen. Doch es bleibt der Eindruck, als wenn der Ethikrat durch seinen sehr starken religiös motivierten Flügel schon nicht ausgewogen genug besetzt ist, um ein solches – wie in der Diskussion deutlich wurde – weltweit wichtiges Thema ausgewogen besprechen zu können. Wer das verbale Niveau solcher Diskussionen unter Studierten kennt, hört sehr wohl heraus, wie flach die Argumentationsketten einiger Beschneidungsbefürworter waren und vorgetragen wurden und wie billig einige Angriffe gegen die klare und m.E. sehr gut fundiert vorgetragene Position von Herrn Merkel waren.

Ich fand es vor allem sehr durchsichtig, wie Herr Latasch schon von Anfang an durch seine „tollen“ Fundstücke aus dem „bösen“ Internet klarmachte, wohin die Reise gehen soll. Wer mehrfach eine einmalige, ungeschickte Formulierung der Beschneidungsgegner (gemeint ist hier die Phrase „sexuelle Gewalt“, die tatsächlich in unserer Gesellschaft recht merkwürdig besetzt ist, weil ja selbst Vergewaltigungen von Frauen in unserer machistischen Sprache immer wieder mit Reduktionsformulierungen abgeschwächt werden sollen) anprangert, gleichzeitig aber wiederholt dazu auffordert, nicht so plakativ zu argumentieren, wie es ihm bei Herrn Merkel der Fall schien, entlarvt sich selbst als vorfestgelegt.

Insgesamt muss ich festhalten, dass allein Herr Merkel das juristische und damit das relevanteste Dilemma sauber hergeleitet und benannt hat. Es bleibt trotz aller Versuche seines Kollegen Höfling und anderer ein Fakt, dass juristisch die Situation glasklar ist – die Beschneidung ist eine (gefährliche) Körperverletzung, die mit deutschem Recht so nicht vertretbar ist. Da spielen auch religiöse Traditionen und gewünschte Narkosen keine Rolle. Merkel wies absolut zurecht darauf hin, dass das Problem sich für die Judikative nicht stellen kann, denn die Rechtlage ist hier absolut eindeutig. Das Problem liegt bei der Legislative, die schon in der völlig übereilten Resolution vom Juli gezeigt hat, dass es einem Großteil des Bundestags egal zu sein scheint, dass Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und 2001 die „Prügelstrafe“ in Deutschland endlich unter Strafe gestellt hat.

Der Ethikrat hat mit seiner Empfehlung weder der Bundesregierung, den betroffenen Religionsgemeinschaften noch Deutschland und der Welt insgesamt einen Gefallen getan. Denn es steht zu befürchten, dass der Bundestag ein Gesetz verabschieden wird, das dann eben doch in irgendeiner Form eine Sonderregelung für religiöse Beschneidungen findet. Das wurde in den meisten Argumenten der Befürworter sehr deutlich, die sich damit deutlich gegen die UN-Kinderrechtskonvention stellten. Damit aber würde das heutige Deutschland den Boden des Grundgesetzes verlassen und sich deutlich in die Richtung eines Unrechtsstaats bewegen. Und das nur, damit eine religiöse Tradition, die in sich fragwürdig und antiquiert ist und seit Jahrtausenden (sic!) auch schon kritisiert und immer wieder verboten wurde, aufrecht zu erhalten? Die Beschneidung hat nicht die Relevanz, die uns Zuhörenden weisgemacht werden sollte von den Vertretern der Religionen. Sie ist keine religionsstiftende, sondern eine religionsbestätigende, rituelle Handlung, die deshalb durchaus auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann. Das allerdings müssen die Religionen des Islams und Judentums intern für sich formulieren. Von Anfang an in der Debatte stur auf dem 8-Tage-„Gesetz“ der Bibel zu beharren, wie es die offizielle jüdische Seite immer wieder macht, ist einer Problemlösung nicht dienlich.

Ich würde mir wünschen, dass der Ethikrat sich nicht nur als Argumentelieferant für eine konservative Bundesregierung ausnutzen lässt (die bisher schon so viele Gesetze abgeliefert hat, die anschließend von obersten Gerichten wieder einkassiert werden mussten), sondern in einer nächsten „Instanz“ eine eigene, zweite Debatte führt, in der die ethische Frage gelöst wird, wie man alten Religionen auf dem Boden unseres Grundgesetzes helfen kann, ihr „Gesicht zu wahren“ und trotzdem nicht gegen staatliche Gesetze zu verstoßen. Das ist das religionspolitische Dilemma, das Herr Merkel ansprach und das vom Ethikrat nicht aufgegriffen wurde. Es ist aus meiner Sicht unzureichend, einen Gesetzesentwurf zu empfehlen, der erstmal eine Rechtssicherheit für die Beschneider schafft, und erst dann in die tiefere Forschung der möglichen Folgen (auch Spätfolgen) von Beschneidung einzusteigen. Dadurch wird eine spätere Revision eines dann schon sicher weltweit argumentativ benutzten (und m.E. missbrauchten) vorschnell erlassenen Gesetzes fast unmöglich gemacht.

Eine aus meiner Sicht sinnvolle Lösung auf dem Boden des deutschen Rechts kann wohl nur so aussehen, dass die Beschneidung als nicht religionsstiftendes, sondern nur religionsbestätigendes Ritual zwingend in einen Lebensabschnitt des zu Beschneidenden verschoben werden muss, in dem er schon entscheidungsfähig (im Sinne des Gesetzes) ist. Alles andere wäre aus meiner Sicht Rechtsbeugung zu Gunsten von Religionen, die diametral unserem Rechtsverständnis, unserem Verständnis vom zu schützenden Rechtsgut „Kindeswohl“ und unserem Verständnis auch von Religionsfreiheit gegenüberstünde und einen weitaus verhehrenderen Schaden für die gesamte Gesellschaft hätte, als es der vorgebliche Schaden für Judentum und Islam sein kann, wenn ihre Jungen erst beschnitten werden, nachdem sie in eigener Entscheidungsfreiheit zugestimmt haben.

Dass dadurch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Brauch der Beschneidung über die Zeit zurückgehen wird, sollte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sein, wenn Deutschland und der Ethikrat sich schon nicht daran halten und dieses archaische Ritual, das heute jeder sachlichen, juristischen, vernünftigen und sogar religionsstiftenden Grundlage entbehrt, einfach für den Rechtsraum Deutschland verbieten.

Falls Sie bis hierher gelesen haben, danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

UNICEF, bitte keine Doppelmoral mehr

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Das UN-Kinderhilfswerk

Das weltweite Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, hat unlängst in seinem deutschen Blog einen Artikel zum Thema Genitalverstümmelung bei Kindern mit dem Titel „Kein Kind sollte solche Schmerzen erfahren müssen“ veröffentlicht. Toll. Oder?

Nein, es geht hier nicht um Genitalverstümmelung bei allen Kindern, sondern „nur“ um Genitalverstümmelung bei Mädchen. Jungen sind mal wieder außen vor, von intergeschlechtlichen Kindern ganz zu schweigen.

Genitalverstümmelung bei Mädchen wird im Englischen oftmals als FGM (Female Genital Mutilation) abgekürzt. Wer FGM verharmlosen will, nennt es FGC (Female Genital Cutting). Ja, es gibt Menschen, die finden, Genitalverstümmelung bei Mädchen gäbe es nicht, es sei nur eine „Beschneidung“.

Genitalverstümmelung bei Jungen wird im Englischen oftmals als MGM (Male Genital Mutilation) abgekürzt. Wer MGM verharmlosen will, nennt es MGC (Male Genital Cutting). Ja, es gibt Menschen, die finden, Genitalverstümmelung bei Jungen gäbe es nicht, es sei nur eine „Beschneidung“. Daher redet man im englischen Sprachraum auch gern standardmäßig von female mutilation und male circumcision, um die Doppelmoral auch verbal zu festigen.

Genitalverstümmelung bei intersexuellen Kindern (IGM) wird bei den meisten Menschen einfach ausgeblendet, weil viele Menschen noch immer binär denken und meinen, es könne nur weibliche und männliche Menschen geben. Die Natur würfelt aber gern und bietet alle erdenklichen Varianten. Nur weil offensichtlich (sic!) weibliche und männliche Kinder am häufigsten vorkommen, heißt das im Sinne der Menschenrechte nicht, dass die anderen keine Rechte haben sollten.

Der UNICEF-Blog bietet eine Kommentarfunktion. Ob Kommentare erscheinen oder nicht, wird redaktionell festgelegt. Meine erschienen bisher nicht. So lautete einer:

„Es ist richtig und wichtig, dass gegen alle Fornen von Genitalverstümmelung an Kindern angegangen wird und diese weltweit verbreitete Praxis des Machtmissbrauchs durch Erwachsene an Kindern strafbar wird. Bei Mädchen und FGM ist das schon in vielen Ländern der Fall. Aber in allen Ländern, in denen es FGM gibt, gibt es auch MGM. Auch Genitalverstümmelung bei Jungen (und intersexuellen Kindern) muss strafbar werden.“

Netterweise hat mir UNICEF per E-Mail geantwortet:

„Vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihr Interesse an dem Thema.
 
Die weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung ist eine schwere Menschen- und Kinderrechtsverletzung. Sie kann zu lebenslangen Beschwerden und Komplikationen führen. Für viele Mädchen endet der Eingriff tödlich. Die Abschaffung dieser Praxis ist Ziel der internationalen Gemeinschaft in der Agenda für nachhaltige Entwicklung (SDG Ziel Nr. 5). Wir setzen uns für dieses Ziel ein, u.a. mit diesem Beitrag. Wir wissen, dass das Thema Jungenbeschneidung kontrovers und emotional diskutiert wird UNICEF nimmt die Bedenken ernst, die in Bezug auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung geäußert werden.
 
Mit freundlichen Grüßen

Ihr UNICEF-Infoservice
Spenderkommunikation
Bereich Kommunikation und Kinderrechte“

Ob es UNICEF hier um Kinderrechte oder doch nur um Spendenakquise geht, sei dahingestellt.

Meine Antwort per E-Mail an UNICEF sei auch dahingestellt, direkt hier:

„… vielen Dank für Ihre Antwort. Es ist aus Sicht aller Menschenrechtsaktivisten falsch, Genitalverstümmelung bei Mädchen (FGM) und Jungen (MGM) unterschiedlich zu bewerten.

Wenn es um quantitative Unterschiede gehen würde, müsste MGM viel eher geächtet werden als FGM, weil MGM zahlenmäßig weltweit viel häufiger vorkommt.

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Wenn es um qualitative Unterschiede gehen würde, müsste man genau differenzieren, um welche Art von FGM oder MGM es sich handelt. Die WHO hat dafür bei FGM sogar einen Katalog von Schweregraden festgelegt, bei denen einige deutlich unter der landläufig als „Beschneidung“ verstandenen männlichen Genitalverstümmelung liegen. Wenn z.B. in einem Ritual bei Mädchen nur ein klein wenig Haut an den Schamlippen eingeritzt wird, damit etwas Blut fließt („a ritual nick“), ist das mit einiger Sicherheit keine schwere Menschen- und Kinderrechtsverletzung, wenngleich es immer noch eine Körperverletzung ist.

Seit dem Roman „Wüstenblume“ von Waris Dirie ist in vielen Köpfen das Bild von der sogenannten pharaonischen Beschneidung bei Frauen und Mädchen, die tatsächlich eine extreme Genitalverstümmelung ist, mit dem Entfernen von Klitoris[spitze] und Schamlippen und dem anschließenden Zunähen der Vagina. Diese Form ist weltweit sehr selten.

MGM ist in der Ausführung und den Folgen genauso breit gefächert wie FGM. Das fängt an bei ebenfalls leichtem Einritzen der Genitalhaut, um etwas Blut fließen zu lassen, geht über das gewaltsame Entfernen von Teilen der Vorhaut oder der kompletten Vorhaut (die bei einem Erwachsenen ohne weiteres 15 Quadratzoll Fläche hat), über das Infibulieren und „Katheterisieren“ mittels Holzstäben oder Metallstäben, über Aufschlitzen und Spalten des kompletten Penis an der Unterseite bis hin zur kompletten Häutung des Genitalbereichs vom Anus bis zum Bauchnabel.

MGM wird in unseren Breitengraden immer als erstes mit der „rituellen jüdischen Beschneidung“ und dem islamischen Gegenstück assoziiert. Gerade in Deutschland denken viele Menschen aufgrund unserer Geschichte, dass man grundsätzlich nichts kritisieren darf, was irgendwas mit dem Judentum oder Islam zu tun hat. Daher gibt es in der Politik und vielen Menschenrechtsorganisationen eine Hemmschwelle, das Thema MGM an Kindern anzugehen und männlichen Kindern endlich denselben Schutz zu gewähren, den vielerorts weibliche Kinder schon genießen. Dabei hatte schon eine Umfrage Ende 2012 belegt, dass der Bundestag am 12.12.2012 mit seinem Beschneidungsgesetz nicht nur Gesetzesungleichheit für Mädchen und Jungen erlassen hat, sondern auch gegen die überwiegende Meinung der Bevölkerung entschieden hat.

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Selbst bei 14- bis 16-jährigen Jungen besteht noch oft keine Entscheidungsfreiheit, ob sie ihre Genitalien freiwillig verstümmeln lassen wollen. Sie sind dem Druck ihrer Community ausgesetzt und haben oftmals keine Wahl, weil sie sonst in ihrer Gemeinde geächtet werden. Ein sehr trauriges Beispiel hierfür sind die Initiationsriten (ulwaluko) der AmaXhosa in Südafrika. Erschreckende Bilder, die die Realität der Folgen solcher Genitalverstümmelungen zeigen, sind hier in unserem Intaktivismus-Wiki zu sehen: <https://de.intactiwiki.org/wiki/Ulwaluko>

Aber selbst, wenn es bei allen Kindern aller Geschlechter nur um die harmloseste Variante, das rituelle Einritzen von Haut, ginge, wäre es immer noch eine nicht zulässige Körperverletzung, wenn auch nicht mit derart lebenslangen Folgen.

Es ist an der Zeit, dass UNICEF seine zurückhaltende Position bei Genitalverstümmelungen an Kindern männlichen Geschlechts ändert und gleiche Rechte für alle Kinder einfordert. Alles andere wäre Doppelmoral, die weder quantitativ noch qualitativ zu rechtfertigen ist. Solange die UNICEF noch immer die Genitalverstümmelung an Jungen als angebliche Präventionsmaßnahme gegen HIV/AIDS unterstützt (siehe <https://de.intactiwiki.org/wiki/UNICEF>), muss sie sich diesen Vorwurf der Doppelmoral gefallen lassen. Die Unwirksamkeit dieser Maßnahmen in Afrika und der Studien, auf denen sie basieren, ist längst belegt und die Menschen dort gehen selbst dagegen vor, weil sie nicht länger Opfer eines immer noch in den Köpfen der westlichen Welt verankerten kolonialistischen Denkens sein wollen. Die Kinder selbst haben keine Wahl, solange das oberste Kinderhilfswerk der Welt sie nicht schützt.

Für weitere Informationen oder Fragen stehe ich gern zur Verfügung.“

Natürlich bilde ich mir nicht ein, dass eine E-Mail von mir an UNICEF viel bewegen würde. Aber zumindest habe ich es deutlich ausgesprochen:

UNICEF betreibt in puncto Kinderrechte Doppelmoral. Das muss aufhören.

In Support of Children

An open letter to all political parties in the Nordic countries:

In Sweden, another party has decided at its recent plenary session to support legislation that would ban all non-therapeutic penile circumcision of unconsenting children. Sweden thus joins a growing list of Nordic nations, including Iceland and Denmark, in which serious consideration is being given to a blanket prohibition against the genital cutting of children. What this means, simply, is that, in the eyes of the law, the right of every child, regardless of sex, not to be subjected to genital cutting would at last be recognized. Whether the genital cutting of children is rationalized and defended on the basis of historical precedent and custom, whether it is justified on the basis of „parental prerogative,“ or whether it is defended on an asserted claim of „religious freedom,“ it is still genital cutting. As such, it constitutes a violation of the fundamental human rights of the children who are subjected to it. It is them – the children – whose rights we are concerned with. We, the undersigned, therefore write in support of children’s rights and in support of any legislation that would safeguard those rights. We urge that such legislation include the information and ideas contained in this letter to facilitate approval.

Why This Open Letter?

The prepuce, or „foreskin“, is a normal, natural, functional and essential part of the penis with which it is seamlessly integrated. At birth and throughout much of the prepubescent period, the foreskin adheres to the glans by means of an intermediate layer of tissue (the synechia), much as a fingernail adheres to the nail bed. The prepuce protects the glans from environmental contaminants and irritation while, at the same time, preserving the special mucous-membranous character of the glans itself. In adulthood, after it has naturally separated from the glans, the male foreskin is comprised of about 12 square inches (about 75 square centimeters) of densely innervated, highly erogenous tissue. Thus, the foreskin not only retains its protective functions but is also the most sensitive part of the penis. The foreskin is also essential to the natural biomechanics of sexual intercourse because it enables the penis to move back and forth within its own flexible sheath, preventing excessive shearing and friction within the vagina. From an anatomical and physiological standpoint, then, the foreskin is a natural and functional body part.

Besides destroying every one of these functions, the circumcision is an extremely painful and traumatic event in the neonate’s young life. So painful, in fact, that some infants to go into shock.

The reality is that no anesthetic can effectively prevent the pain that is caused during circumcision. Neonatal circumcision also causes neurological and behavioral changes, including a disruption in infant-maternal bonding and breast-feeding behavior. All told, neonatal circumcision is associated with over over 100 different potential complications and risks, including hemorrhage, infection, scarring, surgical injury, sepsis and, in rare cases, even death. Mothers who have observed their children being circumcised report feelings of distress, shock and profound regret for allowing it to occur. Many mothers subsequently regretted their decision to have their son circumcised.

In adults, neonatal circumcision is definitively associated with meatal stenosis. The results of one survey of 1,008 men who had been subjected to neonatal circumcision revealed other long-term physical, sexual and psychological effects, including low self-esteem and relationship difficulties. The physicians‘ organization, Doctors Opposing Circumcision, reports even more potential psychological problems resulting from neonatal circumcision, including distrust, inappropriate anger and reduced emotional expression. Circumcision has also been linked to erectile dysfunction (men who were subjected to circumcision as infants are, according one study, 4.5 time more likely to use an erectile dysfunction drug). Studies have also demonstrated conclusively that circumcision reduces the sexual sensation of the penis and therefore impairs the erotic experience of adult men who were subjected to it during infancy or childhood. Finally, circumcision also adversely affects women, since male circumcision is associated with dyspareunia (painful intercourse).

In sum, the prepuce is a natural and essential part of the penis; it is a part of the body that a child has every right to keep. At the same time, there is almost never a rational or valid medical reason for amputating it and numerous reasons not to amputate it. That is why no national medical organization on Earth recommends circumcision. It is why fourteen international organizations have issued policy statements opposing it. It is why numerous organizations around the world are working to educate others about the harms of neonatal circumcision and about the benefits of allowing their sons to remain intact. It is why, every year, more and more parents of all religions and all nationalities are choosing to leave their infants intact. And it is why we write today in support of the right of children not to be subjected to this harmful and utterly unnecessary surgery.

That should be the end of the discussion. And yet this issue is more complex than that. Neonatal and childhood male circumcision began not as a medical procedure but as a religious rite and it persists to this day for religious and cultural reasons. Normally, circumcision is practiced primarily by Jews, Muslims, some Coptic Christians, Eritrean Orthodox and some African communities for religious or cultural reasons. However, neonatal male circumcision has also been adopted as a social custom in the United States where it is still widely practiced today (although the incidence has been decreasing steadily since the 1970s). More recently, a campaign of „Voluntary Medical Male Circumcision“ (VMMC), which has been promoted in Africa as a way to combat the HIV epidemic, has resulted in a large number of African men undergoing this surgery. However, this campaign has been both controversial and of dubious benefit. In addition, the applicability of medicalized circumcision as a prophylaxis against HIV transmission in western societies has never been established. More to the point, the African VMMC campaign is, by definition, voluntary. In contrast, we are speaking here of involuntary male circumcision of minors for non-medical reasons. The „VMMC“ campaign in Africa has actually also led to coerced and involuntary circumcision of boys in Africa, not only of adult men. To this day, the broad consensus of medical opinion is that there is insufficient evidence to recommend routine infant male circumcision. Thus, in the current cultural, political and epidemiological context, when we speak of male circumcision, we are speaking of non-therapeutic, involuntary male circumcision.

Given the persistent and lack of medical justification for routine, non-therapeutic circumcision, it was inevitable that this practice should come to be regarded as an unjustifiable harm that is inflicted upon unconsenting minors. Over the years, this has led to concerted efforts to discourage and even to ban the practice, as we would ban any other medically unnecessary surgery. And yet, forced male circumcision persists as a deeply embedded cultural and religious practice. Efforts to ban involuntary circumcision, therefore, run headlong into the opposing claims of parental rights and religious freedom.

Right now, the Swedish Centerpartiet faces the same outcry by religious spokesmen against a proposed ban on male genital mutilation (MGM) that occurs every time and everywhere such bans are proposed. Jewish speakers perceive efforts to ban genital cutting as anti-Semitism on the part of the relevant political party or the whole country, they invoke previous historical episodes of anti-Semitic persecution, and claim that such efforts are really pretexts for making Jews feel unwelcome in these countries. Muslims likewise complain that these efforts are an attempt to suppress their culture. The tenor is always the same: You do not want us to live our culture.

Disclaimer

(„Intactivist“ is a blend word from „intact“ and „activist“. Intactivists are opponents of non-therapeutic penile circumcision of minors. The term indicates that „intact“ is the normal state, while many people use the word „uncircumcised“ to privilege circumcision as a normative state.)

We intactivists wish to make two points absolutely clear:

First, no intactivist in the world wants to forbid freedom of belief, including freedom of religion. But the freedom to practice one’s religion does not include the right to scar or amputate any part of a child’s body as a component of the parents‘ religious practice – no matter how young the child or how ancient the practice.

Second, no intactivist in the world wants to forbid circumcision in all cases, and that obviously includes those cases in which it is medically justified. But such cases are extremely rare. At the same time, the normal anatomy of the child’s penis, as noted above, should not be „pathologized,“ as not infrequently occurs when a normal penis is misdiagnosed with phimosis, and this misdiagnosis used as a „back-door“ justification for an unnecessary circumcision. When there is a medical problem, the least invasive treatment should be the treatment of first-resort and the most invasive, the treatment of last-resort. That is standard medical ethics.

It’s About Children

As we noted at the beginning of this letter, Sweden is only one of several Nordic countries that are considering a sex-neutral ban on the non-therapeutic genital cutting of children. But Sweden has, in fact, been in the vanguard of the movement to codify this fundamental right to bodily integrity. Sweden was not only the first Nordic nation (in 1982) to ban female genital cutting but the first Western nation to do so. This is one of the reasons that Sweden is respected the world over as a modern, liberal and secular society that has led the way in balancing the rights of the individual against the rights of religious communities. Now Sweden is poised to take the next logical step toward establishing this balance. As she does so, we hope that Sweden will not abandon its principles and succumb to religious extremism. This topic is not about adults, not about religious groups and their culture; it is about children who, by definition, cannot consent to genital cutting by definition.

Yes, there is freedom of religion (or more precisely, freedom of belief). Every single person has the right to believe in something or to believe in nothing. This also applies to children. Every single person has the right to live his philosophy of life. But no one has the right to infringe on the fundamental rights of others. This also applies to children. Adults do not have the right to practice their religion in such a way that it results in a permanent bodily injury and disfigurement of a child. Children are human beings and have the same right to bodily integrity as adults.

No Privileges For Religious Fundamentalism

Where modest proposals to ban circumcision until the individual is old enough to choose it for himself have been considered, the argument is raised again and again that, without the genital mutilation of their children, Jewish or Muslim life would not be possible. Yet, as more and more Jews and Muslims are speaking out against non-therapeutic circumcision, it has become increasingly obvious that this is simply not true. More and more Jews are practicing a Brit Shalom ritual to welcome their newborn boy into their community. More and more Jews and Muslims around the world are standing up for their own children’s rights. They are refusing to abide by the religious mandate to harm their children by subjecting them to genital cutting. Shouldn’t Sweden be helping these Jews and Muslims? One can only imagine how great the pressure must be on parents in these communities to subject their children to genital cutting. Yet there are Jews and Muslims all over the world who want nothing more than to be relieved of the pressure to choose between their duty to protect their children, on the one hand, and their obligation to preserve anachronistic and harmful traditions, on the other. One can only imagine how wrenching this pressure must be. A law postponing circumcision until the individual is old enough to choose it for himself would help these parents immeasurably in their efforts to break the cycle of violence against children.

We urge all Nordic nations – and all nations everywhere – to resist the pressure from religious reactionaries who want to maintain the status quo. Religious freedom does not include the right to mutilate another person’s body. For girls, this is taken for granted in Sweden and throughout Europe, the Americas and much of Asia. Even where FGM persists „underground“, in Egypt, sub-Saharan Africa and parts of Asia, these societies are at least passing laws banning the genital cutting of girls. Why should this be different with boys? How can we justify this double standard to ourselves and to our sons? How can we say that boys in Sweden should not have the same rights as girls, that they should not be protected from genital cutting just because some religious conservatives want it that way? Yet, as we have seen, many Jews and Muslims do not feel themselves represented by these religious spokesmen. The voices of Jewish and Islamic opponents of genital cutting deserve to be heard and acknowledged. Like the boys themselves, they need Sweden’s help to defend their families against conservative pressure from their religious communities. Since the Enlightenment, there has been a tension between the growing acceptance of fundamental, universal human rights and religious doctrine. In certain respects, these opposing ideas amount to an irreconcilable conflict. The question of forced circumcision – whether „religious liberty“ should prevail over the rights of the child or whether the rights of the child should be protected against religious fundamentalism – represents nothing less than the centuries‘ old conflict between fundamental human rights and religious tyranny.

Focus on Human Rights for Children

It is our belief that no secular society ought to sacrifice the right of genital integrity – the right of every individual to grow up whole – on the alter of religious accommodation. This is not about religious rights, it’s not about parental rights, and it’s not about adults‘ rights. It’s about children’s rights. Every human being deserves to have the same rights, and that includes the children. Indeed, if the children of Jewish and Muslim parents were singled out and denied protection of laws that ban genital cutting, that would constitute its own cynical form of discrimination.

The Nordic nations have the opportunity to demonstrate leadership for the many nations that are increasingly unable to reconcile their commitment to universal human rights with a tolerance for this anachronistic and harmful practice to which many Jews and Muslims themselves now object. We urge the Nordic nations, therefore, not to be deterred in their efforts to place the fundamental human rights of children above the parochial interests of religious dogma. In a secular society, true integration, true multiculturalism, true equality can occur only when every individual – regardless of sex and regardless of religion – is both protected by, and obliged to abide by, the same laws. Children’s rights are human rights and human rights are universal. Otherwise, they are meaningless.

Throughout history there has been a general movement in the direction of a more universal recognition of fundamental human rights. But the world still has a way to go before fundamental human rights are truly respected and codified in law. Sweden is now called upon by history to assume the vanguard in that struggle for justice, fairness, equality and respect for the right of bodily autonomy. If she misses this opportunity – if Sweden turns her back on these rights – she turns her back on the future of human progress and, above all, she turns her back on children – past, present and future.

First signatories:

  • Ulf Dunkel, Germany, intactivist, politician, translator and author, initator of this Open Letter
  • David Balashinsky, USA, Jews Against Circumcision, co-author of this Open Letter
  • Ronald Goldman, PhD, USA, psychologist and executive director of Circumcision Resource Center, author of „Circumcision: The Hidden Trauma“ and „Questioning Circumcision: A Jewish Perspective“, co-author of this Open Letter
  • Lindsay R. Watson, New Zealand, independent researcher and author of „Unspeakable Mutilations – Circumcised Men Speak Out“
  • Jérôme Segal, Austria, Assistant Professor at the Sorbonne University in Paris, former member of the Austrian Jewish Community
  • Kaan Göktaş, Turkey, journalist, intactivist and author of „Oldu da Bitti Masallah #direnpipi“, a book against circumcision on minors
  • Peter W. Adler, B.A., M.A., J.D., USA, professor of international law, counsel for Attorneys for the Right of the Child.
  • Ulla Barreto, Germany, TABU INTERNATIONAL
  • George Hill, USA, Vice-President for Medical Science and Bioethics of Doctors Opposing Circumcision (D.O.C.)
  • Marilyn Fayre Milos, RN, USA, Executive Director Genital Autonomy – America (former NOCIRC)
  • Tonio Walter, Germany, jurist, professor for criminal law
  • Brother K, USA, founder of Bloodstained Men & Their Friends
  • Kennedy Owino Odhiambo, Kenya, director of Intact Kenya
  • Viola Schäfer, Germany, CEO of intaktiv e.V.
  • Ann-Marlene Henning, Germany, sexologist, author of „Sex verändert alles – Aufklärung für Fortgeschrittene“ [Sex Changes Everything – Education For Advanced]
  • Rolf Dietrich Herzberg, Germany, jurist, professor for criminal law
  • Mina Ahadi, Austria, Chairperson of the Central Council of Ex-Muslims
  • Dr. Necla Kelek, Germany, sociologist and publicist
  • Ali Utlu, Germany, ex-Muslim, politician
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Beschneidung: Das verborgene Trauma

Beschneidung: Das verborgene Trauma

Am 3. Februar 2019 erschien das Buch „Beschneidung: Das verborgene Trauma“ bei KDP. Das Buch ist die deutsche Übersetzung des Buches „Circumcision: The Hidden Trauma“ von Dr. phil. Ronald Goldman aus Boston, USA, das 1997 bei Vanguard Publications erschien. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte Ulf Dunkel.

Seit langem schon ist Beschneidung: Das verborgene Trauma nicht nur in der amerikanischen Intaktivist*innen-Szene ein Standardwerk rund um das Thema MGM (Male Genital Mutilation – männliche Genitalverstümmelung). Es räumt auf mit vielen Mythen, die auch heute noch in Beschneidungsdebatten verbreitet werden und hilft, die Absurdität dieser Praxis zu hinterfragen.

Beschneidung: Das verborgene Trauma ist die erste intensive Untersuchung der nicht anerkannten psychologischen und sozialen Aspekte dieser zunehmend kontroversen amerikanischen Kulturpraxis. Das Buch wurde von Dutzenden von Fachleuten in Psychologie, Psychiatrie, Kinderentwicklung, Pädiatrie, Geburtshilfe, Geburtshilfe, Soziologie und Anthropologie empfohlen, darunter Ashley Montagu, Christiane Northrup, Warren Farrell, Sheila Kitzinger, Sam Keen und Penelope Leach. Ohne viel Wissen geht die amerikanische Öffentlichkeit im Allgemeinen davon aus, dass ihre kulturelle Praxis der Beschneidung ein triviales und gut gemeintes Verfahren ist. Fakten und Forschungsergebnisse stehen im Widerspruch zu diesen Überzeugungen und werfen ernsthafte Fragen auf. Dr. Goldmans Anwendung der psychologischen und sozialen Forschung erklärt kohärent sowohl die Hartnäckigkeit der Praxis als auch die widersprüchlichen Informationen und Überzeugungen dazu. Nach einer Überprüfung der überraschenden Fähigkeiten von Säuglingen und ihrer Reaktionen auf Beschneidungsschmerzen werden die langfristigen psychologischen Auswirkungen der Beschneidung unter den Gesichtspunkten sowohl traditioneller als auch innovativer psychologischer Theorien untersucht. Wir erfahren, dass die Beschneidung potenzielle Auswirkungen nicht nur auf Männer und Sexualität hat, sondern auch auf Mutter-Kind-Beziehungen, männlich-weibliche Beziehungen und gesellschaftliche Merkmale und Probleme. Der Text wird durch klinische Berichte, Interviews, Umfragen und eine umfassende Dokumentation unterstützt.

Das Buch identifiziert eine übersehene Quelle frühkindlicher Schmerzen und weist uns in die Richtung der Heilung und Verhinderung dieser Schmerzen. Es ist von besonderem Interesse für Männer, die ihre Sexualität erkunden und das Selbstbewusstsein vertiefen wollen, aber auch für Frauen, die Männer besser verstehen wollen; für Eltern und Kinderanwälte; für Geburtshelfer und Verbündete; und für psychiatrische, medizinische und akademische Fachkräfte. Das Buch hat eine breite Anziehungskraft, weil es im Allgemeinen darum geht, unseren Instinkten zu vertrauen, einige unserer kulturellen Werte und Annahmen in Frage zu stellen und darüber nachzudenken, wer wir sind und wer wir als Individuum und als Gesellschaft sein können.

Über den Autor: Dr. Ronald Goldman ist ein Forscher in der Psychologie, Redner, Schriftsteller und Direktor des Early Trauma Prevention Center, das die Öffentlichkeit und Fachleute unterrichtet. Seine Arbeit umfasst hunderte Kontakte mit Eltern, Kindern sowie Ärzten und Psychologen. Einer seiner Schwerpunktbereiche ist die Neugeborenen-Psychologie. Er arbeitet als Gutachter für das Journal of Prenatal & Perinatal Psychology and Health. Goldman gründete das Circumcision Resource Center und das Jewish Circumcision Resource Center und ist Geschäftsführer beider Einrichtungen. Er veröffentlichte viele Artikel und Bücher über das Thema der Beschneidung von Knaben, die auch die sehr oft gehörte Antisemitismuskeule behandeln. Ronald Goldman ist Co-Autor bei Beyond the Bris.

Über den Übersetzer: Ulf Dunkel ist ein deutscher Kaufmann, Politiker, Autor und Intaktivist, der sich seit Sommer 2012 dafür einsetzt, dass die medizinisch nicht indizierte Beschnei­dung von Knaben rechtlich verboten wird. Die Lektüre des Buches „Unaussprechliche Verstümmelungen“ im Original bewegte ihn dazu, es ins Deutsche zu übertragen, weil ihn nicht nur die Berichte der betroffenen Männer sehr berührten, sondern auch die Analyse des Autors sehr bewegte, was mit Männern geschieht, die durch Trigger-Erlebnisse aus ihrem sog. „Beschneidungskoma“ erwachen. Selbst Opfer eines frühkindlichen Traumas, hatte er beim Ansehen des be­kannten Dokumentarfilms „It‘s A Boy!“ über Säuglingsbeschneidung Ende 2012 auch ein solches Trigger-Erlebnis. Dies veranlasste ihn zu einem öffentlich ge­wordenen, in den Medien umstrittenen Wutausbruch und bewegte ihn zu seinem „Gedicht zur Abschaffung der Menschenrechte für Jungen in Deutschland“, um seinen Zorn auf Menschen, die wehrlosen Kindern traumatisierende Dinge antun, auszudrücken. Er engagiert sich nach wie vor für die Intaktheit aller Kinder und sieht auch die Übersetzung und Verbreitung dieses Buches als einen Beitrag dazu. Ulf Dunkel ist u.a. Herausgeber des Intactiwiki. Mit der Übersetzung des Standardwerks „Circumcision: The Hidden Trauma“ ins Deutsche setzt er sein Engagement als Intaktivist fort. Sein nächstes Übersetzungsprojekt ist das ebenfalls von Ronald Goldman erschienene Buch „Questioning Circumcision: A Jewish Perspective“.